Ohne Titel

Rauchen - Nein danke!

Seit einigen Monaten rauche ich wieder. Mehr als je zuvor, bis zu 50 Stück am Tag. Meine Lunge schmerzt und abends habe ich oft einen totalen Brummschädel und mir ist schlecht von der vielen Qualmerei. Die Nikotinsucht hat mich wieder voll im Griff.

Dabei war ich schon mal weg davon. Am 4.Mai 2008 hatte ich meinen ersten rauchfreien Tag und habe dann 5 Monate nicht geraucht. Es fiel mir ganz leicht. Ich habe nach einer gewissen Vorbereitungszeit des bewussten Rauchens von einem auf den anderen Tag aufgehört, ohne Nikotinersatzmittel, ohne fremde Hilfe und Unterstützung. Die Zeit war einfach reif fürs Aufhören und ich ging selbstbewusst und zuversichtlich in mein neues Nichtraucherdasein. Ich hatte keinerlei Entzugserscheinungen und auch sonst keinen Leidensdruck, im Gegenteil, ich war froh und erleichtert, von dem Rauchzwang befreit zu sein. Ich bevorzugte Tätigkeiten, die mit dem Rauchen unvereinbar sind, ich ging schwimmen, machte morgens Körperübungen, fuhr viel mit dem Rad, strickte allerlei schöne Sachen und spielte ausgiebig mit meiner Katze, alles Dinge, bei denen man nicht oder nur unter erschwerten Umständen rauchen kann.

Ich genoss es sehr, als mein chronischer Raucherhusten nachließ, denn das ging sehr schnell. Ich konnte bald wieder tief durchatmen und meine körperliche Kondition verbesserte sich ebenfalls ziemlich rasch. Ich gewöhnte mir an, täglich schwimmen zu gehen. Um der Versuchung der ersten Zigarette am Morgen zu entgehen - ich war gewohnt, sofort nach dem Aufstehen eine zu rauchen - fing ich an, Körperübungen zu machen. Ich stellte mir ein kleines Programm zusammen, das Übungen aus dem Qi-Gong, Yoga, Tai-Chi und normaler Gymnastik enthielt und siehe da: Nach Absolvierung dieses Programms war der Gedanke an eine Zigarette wie weggewischt.

Natürlich kamen tagsüber zahlreiche Versuchungen auf mich zu und der Gedanke an die Zigarette war stets präsent. Aber es war kein Druck dahinter, ich musste der Versuchung nicht nachgeben, sondern konnte sie kühl und nüchtern einfach nur zur Kenntnis nehmen und sagen: Nein, jetzt nicht! Erleichternd wirkte sich aus, dass in meinem Freundeskreis viele schon Nichtraucher sind, in deren Wohnung und Gegenwart das Rauchen sowieso tabu bzw. verpönt ist. Auch dass man in öffentlichen Gebäuden, Restaurants usw. heutzutage nicht mehr rauchen darf, empfand ich als Entlastung und als angenehm, dass ich nicht an jeder Ecke mit Zigarettenwerbung belästigt wurde. Nur an Straßenbahnhaltestellen und Litfasssäulen prangte hin und wieder die Aufforderung, sich das Leben durch Zigarettenkonsum schöner und leichter zu machen. Die illusionäre Verbindung zwischen Rauchen und Genuss ist - zumindest im öffentlichen Raum - unterbrochen worden: Zeitung lesen, Kaffee trinken, dabei eine rauchen: das geht jetzt in den Cafes nur noch im Aussenbereich. Ein Gläschen Rotwein, ein kühles Bier, ein Small Talk bei einer Zigarette, auch diese Zeiten sind in den meisten Kneipen vorbei. Die beliebte Verdauungszigarette nach dem Essen: kaum noch ein Restaurant, das sie erlaubt. Das Warten auf einen Zug darf man sich jetzt auf den rauchfreien Bahnhöfen nur noch sehr eingeschränkt verkürzen und es hat fast etwas Peinliches, wenn man abseits der Menschenmenge mit Gleichgesinnten im Raucherareal auf dem Bahnsteig dokumentiert, dass man dem Trend der Zeit hinterherhinkt.

Zudem vermiesen die Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln den Genuss am Glimmstengel durch ihre objektiven Feststellungen, was das Rauchen in Wirklichkeit mit den Menschen macht und wie schädlich es für seine Gesundheit ist. Bezeichnenderweise sieht man jetzt viele Raucher, die ihre Zigarettenschachteln in ein Etui stecken, damit sie mit der Wahrheit nicht ständig konfrontiert sind. Diese Raucher möchten die Illusion, dass Rauchen etwas mit Genuss zu tun hat, unbedingt behalten und blenden deshalb gegenteilige Informationen einfach aus.

Der vermeintlich untrennbare Zusammenhang zwischen Genuss und Rauchen ist in Wirklichkeit eine einzige Werbelüge, eine Einbildung, eine Illusion, ein Irrtum. Jedem normalen Menschen, der zum ersten Mal eine Zigarette raucht, wird übel und er findet den Geschmack eklig, muss spontan husten und sich vielleicht sogar erbrechen. Die spontane Reaktion eines gesunden Körpers auf die Zigarette ist Ablehnung und Abwehr. Diese natürliche Reaktion ist allerdings überlagert durch vielerlei psychologische und soziale Faktoren, die letztendlich bedingen, dass man den Ekel vor der ersten Zigarette überwindet und es mit einer zweiten und dritten versucht. So gewöhnt man sich daran und mit zunehmender körperlicher Gewöhnung nehmen die Vorteile zu, die man auf der psychischen und sozialen Ebene zu erhalten meint.

Dabei ist es eher so, dass Zigaretten stinken und eklig sind. Für einen Nichtraucher ist es eine Zumutung, einen Raucher zu küssen. Die Haare und die Kleidung nehmen den Geruch von kaltem Rauch an, das ist für Nichtraucher unangenehm. In den Wohnungen von Rauchern riecht es penetrant. Kleine Kinder, die in Raucherhaushalten leben müssen, werden systematisch vergiftet. Über das Passivrauchen ist in letzter Zeit viel berichtet und geforscht worden und es hat sich herausgestellt, dass es ebenso schädlich oder gar noch schädlicher ist als das Rauchen selbst. Nicht umsonst steht auf den Packungen: Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.Rauchen ist eindeutig asozial.

Es gibt Raucher, die rauchen weiter, obwohl sie deutlich spüren, dass es ihnen nicht gut tut. Sie leiden an den körperlichen Auswirkungen, die das Rauchen mit sich bringt, eventuell haben sie sogar bereits manifeste Schäden an den Bronchien, der Lunge oder den Arterien und Herzkranzgefäßen. Möglicherweise haben sie bereits deutliche Warnungen von ihrem Arzt gehört oder sogar eine Krankenhausbehandlung über sich ergehen lassen müssen. Trotzdem lassen sie die Zigarette nicht los. Wie kommt das? Welche destruktiven Tendenzen veranlassen Sie, sich so zu verhalten?

Weil Rauchen eine Sucht ist und keine schlechte Gewohnheit. Nikotinsucht ist eine Sucht wie Alkohol- oder Heroinsucht auch. Ein Suchtgeschehen hat seine ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten und eine typische Dynamik. Es gibt jede Menge Literatur über alle Arten von Süchten, über die Mechanismen, nach denen eine Sucht funktioniert. Sie sind allgemein bekannt und können je nach Informations- und Bildungsstand des Betroffenen in zahlreichen Broschüren und Büchern nachgelesen werden. Es gibt für jedes Suchtproblem das passende Buch, die passende Beratungsstelle oder eine Selbsthilfegruppe. Die Möglichkeiten, bei einem Suchtproblem Hilfe zu erhalten, sind vielfältig vorhanden. Doch nur wenige Raucher nutzen dieses Hilfsangebot, einfach deshalb, weil sie sich nicht für Süchtige halten. Sie rauchen gern und könnten - wenn sie wollten - jederzeit aufhören. Das meinen sie. Das behaupten sie. Aber sie lassen es nicht darauf ankommen und beharren darauf: Ich rauche, weil ICH rauchen WILL. Denen ist nicht zu helfen. Die muss man lassen.

Dann gibt es aber die Raucher, die ihrer Raucherei sehr zwiespältig gegenüberstehen, die mit gemischten Gefühlen zur Zigarette greifen und vielleicht sogar hin und wieder einen halbherzigen Versuch machen, das Rauchen aufzugeben oder wenigstens einzuschränken. Sie flirten und kämpfen mit der Zigarette, mal für sie, mal gegen sie, je nachdem wie sehr die äußeren Bedingungen dies oder jenes nahe legen.

Unter diesen ambivalenten Rauchern gibt es verschiedene Typen: den Stressraucher, den Belohnungsraucher, den sozialen Raucher und so fort. Ein Stressraucher verliert die Kontrolle über seine Sucht, sobald ihm die äußeren Bedingungen mehr Leistung abverlangen, als er von sich aus bringen kann oder will. Der soziale Raucher ist fremdbestimmt in der Weise, dass er zur Zigarette greift, sobald jemand in seiner Gegenwart ebenfalls raucht, er lässt sich quasi immer wieder von außen anstecken. Der Belohnungsraucher dagegen gönnt sich was, er will sich etwas vermeintlich Gutes tun. Alle diese Typen (es gibt sicher noch mehr) haben gemeinsam, dass die Zigarette einen festen Platz in ihrem Leben hat, sie ist unverzichtbar in das alltägliche Geschehen eingebaut.

Wenn man mich fragen würde, was für ein Typ von Raucher ich bin, würde ich sagen: Ich bin ein Universalraucher. Ich rauche bei jeder Gelegenheit und zu jedem Zweck. Sobald die geringste Anspannung in mir hochkommt, sei es positiv oder negativ, das ist ganz egal, verlangt es mich nach einer Zigarette. Im Gespräch mit Menschen, beim Telefonieren, am PC, beim Lesen eines spannenden Buches oder wenn ich mich auf etwas konzentrieren muss, ist das Verlangen besonders groß. Aber ich kenne auch die Belohnungszigarette nach vollbrachter Leistung, die schmeckt mir ebenfalls gut. Wenn ich entspannt und ausgeglichen mich ausruhe oder einer leichten Tätigkeit nachgehe (z.B. Stricken), rauche ich eher nicht, da kann es sogar vorkommen, dass ich die Zigarette für Augenblicke ganz vergesse.

Oft werde ich von enttäuschten Bekannten gefragt, wie es denn zu meinem Rückfall gekommen sei. Man habe mir zugetraut und fest damit gerechnet, dass ich es schaffe.

Ich kann dazu nicht viel sagen, ich habe dafür keine schlüssige Erklärung. Es war einfach so, dass ich eines Morgens in einem italienischen Straßencafe saß, die Sonne schien freundlich auf meinen Tisch, ich war ausgezeichneter Stimmung und hatte die Tageszeitung und einen Latte Macchiato vor mir. Plötzlich sagte eine innere Stimme in mir: Und jetzt noch eine Zigarette, das wäre fein! Ich stand auf, wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, ging ins nächstgelegene Kiosk und kaufte mir eine Schachtel Lucky Strike, bezeichnenderweise die Marke, die derzeit noch die aufdringlichste Werbung macht. Die Zigarette schmeckte so köstlich, dass ich sofort noch eine zweite rauchte. Am nächsten Abend war die Schachtel leer und ich war wieder Raucher. Das ist jetzt 3 Monate her und inzwischen bin ich zum regelrechten Kettenraucher geworden. Ich rauche so viel wie nie zuvor.

Was lernen wir daraus? Ich habe mich überschätzt. Die Macht einer 40jährigen Nikotinsucht kann man nicht so leicht vom Tisch fegen. Die Kraft und Heimtücke der Sucht habe ich unterschätzt. Mein Bewusstsein hat dafür ausgereicht, den läppischen Glimmstengel für einen gewissen Zeitraum aus meinem Leben zu verbannen, aber es hat die Kraft und Dynamik meiner inneren Suchtstrukturen nicht genügend durchleuchtet und ans Licht gebracht. Neben dem Willen aufzuhören, benötigt man einen gewissen Grad von Einsicht, Selbsteinsicht. Dazu gehört unbedingte Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Möglicherweise benötigt man Hilfe von außen, fachmännischn Rat oder die Unterstützung durch eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten.

Mitte des Monats beginnt in meiner Nähe ein Nichtraucherkurs. Ich habe mich angemeldet. Ich nehme einen zweiten Anlauf, trotz der inneren Widerstände, die in meinem Süchtigsein begründet liegen. Die Zeit ist einfach reif, das Rauchen loszulassen. Ich will dabei nicht kämpfen müssen und mich auch nicht zwanghaft disziplinieren. Ich will das Rauchen einfach hinter mich lassen und weiter gehen in eine gesündere, suchtfreie und unabhängige Zukunft.

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